K. Kissas u.a. (Hrsg.): The Corinthia and the Northeast Peloponnese

Cover
Titel
The Corinthia and the Northeast Peloponnese. Topography and History from Prehistoric Times until the End of Antiquity


Herausgeber
Kissas, Konstantinos; Niemeier, Wolf-Dietrich
Reihe
Athenaia 4
Erschienen
München 2013: Hirmer Verlag
Anzahl Seiten
XVI, 558 S.; 438 Abb.
Preis
€ 85,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Timo Stickler, Institut für Altertumswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Der hier anzuzeigende, umfangreiche Band ist das Ergebnis eines Kongresses, der im Jahre 2009 von verschiedenen archäologischen Institutionen, darunter auch der Athener Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, in dem Kurort Loutraki am Golf von Korinth abgehalten worden ist. Ziel des Kongresses wie der Publikation ist laut Klappentext die Präsentation „of numerous studies undertaken, on the one hand, by the Greek Archaeological Service and, on the other, by international research institutions active in Greece as well as individual researchers working in the Corinthia.“ Aufgrund verschiedener Umstände hat sich die Drucklegung bis zum Jahre 2013 verzögert, doch nun liegt ein eindrucksvolles Opus mit sage und schreibe 56 Beiträgen vor, davon 31 in neugriechischer, 23 in englischer und zwei in deutscher Sprache verfasst.1

Bei einem Kongress und einer Publikation dieser Dimension ist es unmöglich, auf jeden Beitrag einzeln einzugehen. Wichtiger erscheint mir, einen Eindruck davon zu vermitteln, welche Spannbreite die manchmal umfangreichen, manchmal auch nur Miszellengröße aufweisenden Aufsätze abdecken. Was sie verbindet, ist der Raum, dem sie gewidmet sind, die Korinthia. Nach einem Überblick über das „Scientific and Organizing Committee of the Conference“ (S. IX), drei Vorworten (S. XI–XV) und einer „Introductory Section“ (S. 1–25) ist der erste große Teil des Kongressbandes mit neunzehn Aufsätzen „Corinth and Northeast Corinthia“ gewidmet (S. 27–230). Es folgen neun Aufsätze zu „East and Southeast Corinthia“ (S. 231–311), zwölf Aufsätze zu „Central Corinthia“ (S. 313–424) und zwölf Aufsätze zu „West Corinthia“ (S. 425–530). Eine „Closing Section“ vollzieht einen Ausblick auf das Mittelalter und die Probleme des nachantiken Umgangs mit den Altertümern (S. 531–558). Grundsätzlich zu beachten ist, dass die Definition dessen, was „Korinthia“ ist – entsprechend auch dem modernen administrativen Zuschnitt der nordöstlichen Peloponnes – großzügig gehandhabt wird; sie deckt also nicht nur die chora des antiken Korinth bis zu seiner Zerstörung durch die Römer 146 v.Chr. ab, sondern greift darüber hinaus auch auf die Territorien benachbarter Poleis wie etwa Kleonai (mit dem Heiligtum des Zeus von Nemea), Phleius oder Sikyon. Zeitlich werden in der Tat, wie im Titel angekündigt, freilich in unterschiedlicher Intensität, alle Epochen von der Prähistorie bis in die Spätantike angeschnitten. Inhaltlich dominieren archäologische, insbesondere topographische Fragestellungen. Erfreulich ist hierbei, dass auch die literarischen Quellen, oft in eigens ihnen gewidmeten Aufsätzen (hervorzuheben sind die Beiträge von Charles K. Williams, S. 11ff., und Elizabeth R. Gebhard, S. 263ff., zu Pausanias, von Ronald S. Stroud, S. 135ff., zu Xenophon und von Alastar H. Jackson, S. 143ff., zu Polybios), zu ihrem Recht kommen und auf ihren Nutzen im Hinblick auf die Erforschung der Korinthia überprüft werden.

Die nordöstliche Peloponnes ist zu allen Zeiten von größter strategischer Wichtigkeit gewesen; sie war ein Kreuzungspunkt zahlreicher See- und Landwege.2 Entsprechend hat Korinth, die größte Stadt in diesem Raum, eine wesentliche Rolle für den Verlauf der antiken Ereignisgeschichte vom 6. bis mindestens zum 4. Jahrhundert v.Chr. gespielt – es ist ein, wenn nicht der klassische Ort „jenseits von Athen und Sparta“, um die Gehrkesche Terminologie zu gebrauchen.3 Vor diesem Hintergrund ist der nun vorliegende Kongressband von Kissas und Niemeier ausdrücklich zu begrüßen, eröffnet er doch viele Einblicke in das archäologische Profil und die Topographie und daraus folgend in die Siedlungs- und Verkehrsstruktur der Korinthia und der an sie angrenzenden Landschaften während der Antike.

Aus althistorischer Sicht möchte ich deshalb die Aufsätze von Jeannette Marchand (S. 313ff.) und Torsten Mattern (S. 323ff.) zum antiken Kleonai sowie von Stephen G. Miller (S. 371ff.) zur früheren Geschichte des Zeusheiligtums von Nemea besonders hervorheben. Die genannten Orte waren während der archaischen und klassischen Zeit stets zwischen Korinth und Argos umstritten. Kleonai als Hüterin des nemeischen Heiligtums versuchte lange Zeit, seine Unabhängigkeit gegenüber Korinth zu verteidigen und begab sich schließlich unter den Schutz des mächtigeren Nachbarn Argos. Durch Forschungen wie die im Sammelband dokumentierten lernen wir das archäologische und historische Profil so mancher Kleinstadt im Windschatten der großen Poleis immer besser kennen und vermögen so die politische Struktur, in diesem Falle der nordöstlichen Peloponnes in archaischer und klassischer Zeit, Schritt für Schritt besser zu verstehen – eine wichtige Ergänzung zu den großen Linien der Ereignisgeschichte, die von den hellenischen Großmächten, allen voran Athen und Sparta, bestimmt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Kongressband von Kissas und Niemeier gibt einer Forschungsrichtung neue Impulse, die gerade in jüngster Zeit erfreulich aufgeblüht ist.4 Es wäre sehr wünschenswert, dass auf diesem Wege fortgeschritten wird. Die vorliegende Aufsatzsammlung bietet hierfür Ansporn und Grundlage zugleich.5

Anmerkungen:
1 Eine Zusammenfassung der neugriechischen Aufsätze in englischer Sprache wäre sicher hilfreich gewesen, desgleichen ein Register.
2 So schon Thuk. 1,13,5; vgl. diesbezüglich auch Strab. 8,6,20.
3 Hans-Joachim Gehrke, Jenseits von Athen und Sparta. Das Dritte Griechenland und seine Staatenwelt, München 1986.
4 Ich nenne vor allem Mary R. Bynum, Studies in the Topography of Southern Corinthia, Ann Arbor 1995; Y. A. Pikoulas, Odikò díktyo kaì ámyna. Apò tèn Kórintho stò Argos kaì tèn Arkadía (Road-network and Defence. From Korinth to Arkadia via Argos), Athen 1995; Klaus Tausend, Verkehrswege der Argolis. Rekonstruktion und historische Bedeutung, Stuttgart 2006; vgl. auch Kate Adshead, Politics of the Peloponnese. The transition from Archaic to Classical politics, Aldershot 1986; Guy D. R. Sanders / Ian K. Whitbread, Central Places and Major Roads in the Peloponnese, in: The Annual of the British School at Athens 85 (1990), S. 333–361.
5 Auch ich habe in meinem Buch Korinth und seine Kolonien. Die Stadt am Isthmus im Mächtegefüge des klassischen Griechenland, Berlin 2010 die Bedeutung der Verkehrswege und ganz allgemein die Mitdeterminierung des historischen Verlaufs durch geographische Grundgegebenheiten für meine historische Fragestellung fruchtbar zu machen versucht. Von dem hier besprochenen Sammelwerk hätte ich nur profitieren können.

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